05. September 2023
Robotik-Start-up revolutioniert die Windkraftwartung
Kostenlos und unbegrenzt verfügbarer Wind stößt auf gigantische Rotorblätter, deren Rotationsenergie von einem Generator in elektrische Energie umgewandelt wird. Soweit die Theorie und so plausibel die Forderung nach einem beschleunigten Ausbau von Windkraftanlagen, um den Anteil von erneuerbaren Energien an unserer Stromversorgung zu erhöhen. Allein in Deutschland soll die Gesamtleistung aller Anlagen bis zum Jahr 2030 von derzeit ca. 66 auf 115 Gigawatt steigen. Häufige Fragen: Welche Flächen eignen sich für den Bau weiterer Anlagen? Wie lassen sich Genehmigungsverfahren beschleunigen? Eine weniger landläufige Frage, die aber vor allem die Betreiber von Windkraftanlagen beschäftigt: Wer soll sich eigentlich um die Wartung der tausenden Rotorblätter und immer höher wachsenden Türme kümmern?
Inspektion, Reparatur, Reinigung und Beschichtung aus einer Hand
Diese Herausforderung hat sich das Start-up Aerones zur Aufgabe gemacht. „Als wir gestartet sind, hatten die Serviceunternehmen nur eine Möglichkeit: Angeseilte Techniker mussten alle Aufgaben rund um das Windrad manuell erledigen“, blickt CEO Dainis Kruze zurück. Wieso also nicht technische Möglichkeiten nutzen, um die Inspektion, Reparatur, Reinigung oder Beschichtung effizienter zu machen? Erst experimentierten Kruze und Mitgründer Janis Putrams mit industriellen Drohnen, bald folgte eine noch schnellere und zuverlässigere Weitentwicklung. Heute setzt das Start-up auf eine modulare Roboterlösung, um möglichst viele Serviceleistungen flexibel aus einer Hand anbieten zu können.
Service-Rekord liegt bei sechs Windkraftanlagen pro Tag
Das Grundprinzip hinter jedem Aerones-Einsatz: Ein Serviceteam bringt vier Seilwinden am Boden unterhalb der Windkraftanlage in Position und verbindet sie mit einem Roboter, der sich über einen Joystick präzise fernsteuern lässt. Die Roboterarme übernehmen dann verschiedene Aufgaben – vom Ultraschallscan über die Rotorblattreinigung bis zum Auftrag einer eisabweisenden Lösung.
Wahlweise kommt außerdem Inspektionstechnologie hinzu, etwa mit einem Crawler, der 360-Grad-Bilder aus dem Inneren einer Turbinenschaufel liefert. „Anfangs konnten wir eine Windkraftanlage pro Tag bearbeiten“, sagt Aerones-CTO Janis Putrams. „Inzwischen liegt unser Rekord bei sechs Anlagen, weil wir dank der vielen Wiederholungen immer effizienter geworden sind.“
Cleantech-Investoren unterstützen den Wachstumskurs
Für das Gründerteam des Start-ups liegen die Vorteile ihres Geschäftsmodells auf der Hand. Man nehme eine robotergestützte Dienstleistung, die so schnell und flexibel einsetzbar ist, dass aus korrektiver Wartung allmählich vorausschauende Wartung wird – und skaliere sie auf internationalem Level. Wichtige Zutat, um solche Wachstumsambitionen verfolgen zu können: die Unterstützung Purpose-getriebener Investoren. Im Jahr 2018 nahm Aerones am Accelerator-Programm des YCombinator teil, belegte einen Platz unter den ersten drei bei der Slush 100 Pitch Competition und sicherte sich daraufhin eine Finanzierung in Höhe von 2,7 Millionen Euro. Im Januar 2023 kamen weitere 30 Millionen US-Dollar hinzu, als neben Investoren wie Lightrock, Change Ventures oder Blume Equity auch Haniel beim in Riga ansässigen Unternehmen einstieg.
Mittlerweile betreut Aerones führende Betreiberfirmen wie NextEra, GE, Vestas, Enel oder Siemens Gamesa. „Wir haben uns in Süd- und Nordamerika, Europa und Australien etabliert und wollen auch im asiatischen Markt weiter wachsen,“ betont Janis Putrams. CEO Dainis Kruze ergänzt: „Wir wollen der weltweite größte Anbieter für die Wartung und Inspektion von Windkraftanlagen werden.“ Ein Ziel, das einem ambitionierten Start-up samt disruptivem Geschäftsmodell gut zu Gesicht steht.