01. Februar 2024

Nachhaltigkeit als Roter Faden: Wie BekaertDeslee seine Textilien im Kreislauf halten will

Weniger Abfall, mehr Recycling und ein neues Produktdesign, das die Kreislauffähigkeit fördert: Peter Hostyn und Ruben Demets nehmen sich bei BekaertDeslee Produkte vor, die traditionell eher für die lineare Wirtschaft geeignet sind. Ihr Ziel: die im Haniel-Portfoliounternehmen hergestellten Stoffe und Bezüge nachhaltiger und recyclingfähiger machen. Das stärkt nicht nur die eigene Marktposition, sondern verringert zudem die Umweltauswirkungen der Textilien.

Der EU-weite Verbrauch von Textilien hat laut einer Studie der Europäischen Umweltagentur EAA die vierthöchsten negativen Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Ruben Demets (li.), Recycling Manager, und Peter Hostyn, Head of R&D Functional Technologies bei BekaertDeslee, wollen Teil der Lösung sein. Sie arbeiten daran, die Recyclingverfahren der Textilindustrie zu verbessern.

Auf dem Weg zu weniger Textilabfall

35 Millionen Matratzen werden jedes Jahr verbrannt oder landen auf der Mülldeponie – allein in Europa. Eine immense Herausforderung für Gesetzgeber wie Unternehmen, aber vor allem auch eine Chance, mit innovativen Verfahren voranzugehen. Haniels Portfoliounternehmen BekaertDeslee – weltweit führend in der Entwicklung und Herstellung von Matratzentextilien und fertig konfektionierten Matratzenbezügen – sieht das genauso. Mit einer klar definierten Nachhaltigkeits-Roadmap hat das Unternehmen eine Reihe von Maßnahmen ins Leben gerufen, um die negativen Umweltauswirkungen von Textilien zu verringern. Ein wichtiger Teil der Lösung: Post-Produktionsabfälle reduzieren und sie gleichzeitig immer häufiger den eigenen Kreislaufprozessen zuführen.

BekaertDeslee will den Anteil erneuerbarer Rohstoffe in seinen Produkten in Zukunft deutlich erhöhen. 2022 lag dieser bei 18 %. Ebenso sollen mehr recycelte Materialien eingesetzt werden, die 2022 noch 5,8 % ausmachten. Ein erster Schritt auf diesem Weg ist die Verwendung von recyceltem Polyester – denn mehr als 80 % der eingesetzten Materialien sind bislang herkömmliches PET. Recycelten Polyester kann das Unternehmen mit Sitz in Belgien aus den eigenen Produktionsabfällen der Schneid- und Nähbetriebe gewinnen und zu einem hochwertigen Garn verarbeiten. Aktuell erfordert das noch zusätzlichen Polyester aus beigemischten PET-Flaschen oder neuhergestelltem PET. Langfristig soll jedoch die Menge an PET-Polyester reduziert werden, um den Einsatz von recyceltem Textil-zu-Textil-Polyester sukzessive zu erhöhen. Die Umweltvorteile liegen auf der Hand: BekaertDeslee leistet damit erstens einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie. Zweitens werden dadurch Kohlenstoffemissionen reduziert, was zu einer Verringerung des CO2-Fußabdrucks führt. Und drittens sorgen die recycelten Polyestergarne dafür, dass nicht noch mehr Abfall auf Mülldeponien landet oder verbrannt wird – ein Schicksal, das jährlich 85 % aller Textilien teilen.

Neue Gesetze erfordern ein Umdenken

Um den hohen Umweltauswirkungen der Textilindustrie entgegenzutreten, hat die Europäische Kommission kürzlich eine Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien vorgelegt. Übergeordnetes Ziel bis zum Jahr 2030: Alle in der EU auf den Markt gebrachten Textilerzeugnisse sollen langlebig, reparierbar und recycelbar sein. Sowohl auf Mitgliedsstaaten als auch Unternehmen erzeugt das weiteren Handlungsdruck. Angesichts knapper werdender Ressourcen und einem gestiegenen Nachhaltigkeitsbewusstsein unter Konsument:innen wird Recycling aber zunehmend auch zu einem ökonomischen Faktor. Auf eigene Quellen für recycelte Textilien zurückgreifen zu können, verspricht beispielsweise ein großer Vorteil zu werden. Mit unternehmerischer Weitsicht und ökologischer Verantwortung arbeitet BekaertDeslee daher bereits intensiv an der Wiederverwertung von Textilabfällen.

Die Suche nach dem besten Recyclingverfahren

Doch Textilrecycling steckt noch immer in den Kinderschuhen. In diesem Bereich wurde über viele Jahre kaum recycelt, Stoffe müssen aufwendig sortiert bzw. getrennt werden und sind oft nicht rein genug, um gegen Kunststoffe aus Primärressourcen bestehen zu können. Die Suche nach in der Praxis wirksamen Technologien hat streng genommen also gerade erst begonnen. Mittendrin sind Peter Hostyn, Head of R&D Functional Technologies, und Recycling Manager Ruben Demets. Sie wollen das beste Verfahren finden, um Textilabfälle in die Produktion einzubringen.

„Thermomechanisches Recycling ist derzeit am vielversprechendsten für reine Abfallfraktionen aus Post-Produktionspolyester“, sagt Ruben Demets. Bei diesem Prozess werden Abfallstoffe zunächst mechanisch zerkleinert, dann geschmolzen und zu neuen Produkten verarbeitet. Verglichen mit dem Einsatz von fabrikneuem PET könne BekaertDeslee in der Herstellung neuer Garne damit die Treibhausgasemissionen um etwa 50 % reduzieren. „Eine weitere interessante Option für uns ist das chemische Recycling“, so Peter Hostyn. „Diese Technologie steckt zwar noch in einem Anfangsstadium, aber es wird aktuell viel dazu geforscht und entwickelt“. Die Besonderheit: Kunststoffe-Polymerketten lassen sich damit in ihre Grundbausteine zerlegen und können wiederum zur Produktion neuer Kunststoffe verwendet werden. Im Vergleich zum thermomechanischen Verfahren stellt diese Recyclingmethode geringere Anforderungen an die Qualität des Ausgangsmaterials. Zudem sind weitaus mehr Recyclingzyklen möglich, ohne die Beschaffenheit des recycelten PETs zu verschlechtern. Aber neben der Schwierigkeit, die richtige Technologie zu finden, gibt es indes noch eine weitere Herausforderung: die Wirtschaftlichkeit. „Für uns müssen nachhaltigere Produkte mindestens genauso wettbewerbsfähig sein wie konventionell hergestellte“, betont Hostyn.

Vom Stoffabfall zum Recyclinggewebe

Jeder Recyclingstoff ist das Produkt vieler Zwischenschritte. BekaertDeslee verarbeitet Stoffabfälle zunächst zu PET-Pellets, die ihre Farbe durch Zugabe von Farbstoffen und Additiven erhalten. Aus den recycelten Polymerpellets wird beim Schmelzspinnen und der anschließenden Texturierung dann ein texturiertes Garn und an Strick- oder Webmaschinen schließlich wieder ein neuer Stoff – etwa ein Matratzenbezug. „Recycling führt oft noch zu Verfärbungen. Wir prüfen gerade, wie wir diese negativen Effekte verhindern können“, sagt Demets. Für den Moment finden Recyclinggarne daher Verwendung als Inlay-Garne. So bald wie möglich sollen sie auch auf der Rück- und Vorderseite von Stoffen zu finden sein.

QR/RFID-Labels sollen die Transparenz steigern

Aber nicht nur moderne und innovative Recyclingprozesse helfen dabei, Textilien nachhaltiger zu nutzen. Es braucht auch ein besseres Zusammenspiel zwischen Produktdesign, Herstellung, Konsument:innen und Abfallbetrieben – insbesondere bei Matratzen. Dafür geht BekaertDeslee über seine eigenen Produktionsprozesse hinaus und engagiert sich für die Initiative Transparent Circularity. Denn um wirklich kreislauffähig zu werden, muss sich eine Matratze am Ende ihrer Lebensdauer auch wieder in ihre Einzelteile zerlegen lassen. Dabei könne auch ein QR- oder RFID-Etikett helfen, erklärt Peter Hostyn. „Das Label funktioniert wie ein digitaler Produktausweis und enthält Informationen darüber, welche Materialien und Chemikalien bei der Herstellung verwendet wurden. Dadurch können die Bestandteile der Matratze am Ende ihres Lebenszyklus so effizient wie möglich recycelt werden.“ Und deshalb wird die EU auch bis 2027 digitale Produktpässe für Matratzen vorschreiben. BekaertDeslee verfügt bereits über eine Lösung für die QR/RFID-Kennzeichnung; mit der Einladung an seine Kunden, mitzuwirken und auf dem Weg zu einer transparenten Kreislaufwirtschaft zusammenzuarbeiten.

Nicht mehr „nice to have“, sondern ökonomischer Vorteil

Das erklärte Ziel einer kreislauffähigen Textilwirtschaft lässt sich also definitiv nicht im Schlaf erreichen. Aber es gibt ebenso viele Stellschrauben wie vielversprechende Technologien, die bereits in marktreifen Produkten stecken. Öffentliche Initiativen haben die Industrie vor allem in Europa zum Umdenken bewegt. Der größte Treiber dürfte jedoch die unternehmerische Erkenntnis sein, in Recycling mehr als Gesetzeserfüllung oder ein „nice to have“ zu sehen.

Autor

Marius Hoff

LinkedIn-Admin, Podcast-Fan und born & raised im Ruhrgebiet. Berichtet als Mitglied des Team Communications auf unserer Website und in den Sozialen Medien über Haniels Enkelfähig-Reise. Nächstes Ziel: Alle Portfoliounternehmen mit dem Rennrad besuchen.
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