27. November 2023

It's a match! Wieso Co-Leadership die Zukunft gehört

Wer heute eine Führungsposition übernehmen will, muss sich längst nicht mehr gegen die Familienplanung, einen Nebenberuf oder das zeitintensive Hobby entscheiden. Möglich machen es Tandem-Modelle, auch bekannt als Co-Leadership oder Job-Sharing. Damit geteilte Führung aber vom Sonderfall zur Normalität wird, braucht es Vorreiter – sowohl auf Seite der Unternehmen als auch der Mitarbeitenden. Meike Groters und Ann-Kristin Montino haben in der Haniel-Holding diesen ersten Schritt gemacht und leiten das Talent-Team seit Anfang 2023 als Duo. Inzwischen ist mit Stefanie Junghans eine langjährige Verfechterin von Co-Leadership als Elternzeitvertretung dazugestoßen. Doch das Führungsmodell ist kein Selbstläufer.

Head of Talent im Doppelpack: Ann-Kristin Montino (li.) und Meike Groters (re.) starteten im Frühjahr 2023 in ihr neues Karrierekapitel Co-Leadership. Zwei Perspektiven einbringen oder sich gegenseitig den Rücken stärken zu können, erleben beide als großen Gewinn.

Studie: Führung wird zunehmend unattraktiv

Vollzeit, ständige Erreichbarkeit, alleinige Verantwortung. Die Liste teils berechtigter, teils überholter Vorstellungen über die Lebenswirklichkeit als Führungskraft ließe sich fortführen. Für Arbeitgeber könnte dieses Bild zunehmend zu einem Problem werden. Denn laut einer Studie der Boston Consulting Group möchten in westlichen Unternehmen nur noch 9 Prozent der Mitarbeitenden in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine Managementposition übernehmen. In Deutschland sind es sogar nur 7 Prozent. Diese Entwicklung trifft Unternehmen in Zeiten fehlender Fachkräfte und der Notwendigkeit, sowohl Talente langfristig zu binden als auch den Frauenanteil auf oberen Führungsebenen zu erhöhen. Müssen wir Führung also neu denken? Und welche Modelle könnten Teil der Lösung sein? 

Novum in der Haniel-Holding: Head of Talent im Tandem

„Ich wollte mich nie zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen“, sagt Ann-Kristin Montino, die mehr als fünf Jahre für die TAKKT AG tätig war und zuletzt zwischen 2020 und 2023 die Personalentwicklung des Omnichannel-Händlers für Geschäftsausstattung leitete. „Ich wollte trotz Kindern und Familie weiter verantwortungsvolle Aufgaben mit strategischem Anspruch übernehmen. Dafür arbeite ich einfach zu gerne.“ 340 Kilometer weiter nordwestlich, am Haniel Campus, stand Meike Groters an einem ähnlichen Punkt in ihrer Laufbahn – und bald vor der Abwägung: In welchem Umfang aus der Elternzeit zurückkehren? Denn als Haniel die Rolle „Head of Talent“ schuf, ergab sich in der Holding erstmals die Gelegenheit, eine Führungsposition im Tandem auszufüllen. Meike entschied sich für das Novum Co-Leadership in Teilzeit und das „perfekte Match mit Ann-Kristin“, so die Personalentwicklerin. Denn beide kannten sich bereits aus der Talent-Arbeit innerhalb der Haniel Gruppe. Großer Vorteil: „Die Kennenlernphase haben wir also direkt übersprungen und konnten gleich loslegen.“ 

Meike Groters ist Teil des ersten Führungstandems der Haniel Holding.

Co-Leadership als Lebensphasenmodell

Gemeinsam trotz reduzierten Stundenumfangs führen, sich so effizient ergänzen und abstimmen, dass aus zwei Kolleg:innen eine einheitliche Funktion wird. Das kann die Vereinbarkeit von Familie und beruflichen Ambitionen merklich verbessern. „Wir reduzieren Co-Leadership aber noch zu häufig auf Eltern – und insbesondere auf Frauen“, meint Stefanie Junghans. Die Münchnerin wechselte im August vom Softwarekonzern SAP in Haniels „HOW Team“ (= Haniel Operating Way) und vertritt derzeit Ann-Kristin Montino während ihrer Elternzeit. Bereits seit 2019 hat Stefanie Erfahrung mit geteilter Führung. „Ich nenne Co-Leadership lieber ein Lebensphasenmodell, weil es neben dem Job eben manchmal sehr viele außerberufliche Aktivitäten und Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen gilt.“ Sei es die Pflege von Angehörigen, Kinderbetreuung, ein intensives Hobby – oder eine nebenberufliche Selbständigkeit, die Stefanie selbst vor vier Jahren dazu bewog, erstmals Teil eines Führungstandems zu werden. „Für eine Kollegin und mich war es damals unattraktiv, alleine eine Führungsrolle zu übernehmen und mit 140 Prozent zu arbeiten. Wir haben dann aus unterschiedlichen Phasen heraus beschlossen: ‚lass es uns im Co-Leadership ausprobieren‘.“ 

Stefanie Junghans leitete schon im Jahr 2019 ein Team in Co-Leadership. Inzwischen berät die Münchnerin auch Unternehmen und Führungskräfte zu diesem Thema.

Gesucht, gefunden? Job-Sharing braucht professionelle Beratung

Am Anfang jeder Job-Sharing-Position steht ein experimentierfreudiges Unternehmen. „Die kulturelle Basis ist das A und O, um interessierte Tandems nicht von Beginn an zu blockieren“, sagt Stefanie. Hinzu kämen budgetäre Voraussetzungen, insbesondere die Bereitschaft, den Headcount zugunsten von Co-Leadership zu erhöhen. Aber wer passt eigentlich gut zusammen? Und wie sollten Führungsduos loslegen? Für Ann-Kristin steht gegenseitiges Vertrauen an erster Stelle. „Keine politischen Spielchen, maximal transparent sein.“ Zudem sollten bestimmte Werte übereinstimmen, ergänzt Meike; ebenso wie Karriereambitionen oder das Verständnis von Führung. Enorm geholfen habe da das Onboarding durch die Frankfurter Personalberatung TWISE. Nina Gillmann und ihr Team ermitteln zum Beispiel mit dem TWISE-Matching-Algorithmus, wo Gemeinsamkeiten liegen – und wo Unterschiede auch wertvoll sein könnten. „Das gemeinsame Coaching, respektive die Tandem-Begleitung sollte fester Bestandteil sein“, empfiehlt Stefanie. „Die Herausforderung ist, wie bei einer Paarberatung auf eine Metaebene zu gehen, um nicht über das Tägliche zu sprechen, sondern wirklich an den Kernthemen zu arbeiten.“ 

Lesestoff: Co-Leadership

Für alle, die tiefer in das Thema Co-Leadership eintauchen wollen, haben Stefanie Junghans und Co-Autorin Janina Schönitz (Deutsche Bahn) ein 222-Seiten starkes Buch veröffentlicht. Welche Antworten kann Jobsharing auf die Anforderungen einer veränderten Arbeitswelt geben? Ausgehend von dieser Frage ist ein Buch zwischen Ratgeber und Praxisbericht entstanden. Herausgegeben vom Vahlen Verlag. ISBN 978-3-8006-7176-2

Im Job-Split, Staffellauf oder Doppelpack: Wie Tandems an Themen arbeiten

In der Praxis gleicht kein Führungsduo dem anderen, aber es gibt standardisierte Modelle der Zusammenarbeit. Im so genannten Job-Split arbeiten beide Partner:innen selbstständig an einem Thema, im Staffellauf werden beispielsweise dringende Themen jeweils wieder übergeben. Und im Doppelpack ist das Tandem gemeinsam involviert, um doppelte Kreativität zu nutzen. „Die Möglichkeit, komplementäre Fähigkeiten zusammenzuwerfen, führt am Ende zu besseren Lösungen“, ist Meike überzeugt. Außerdem helfe es, sich gegenseitig den Rücken zu stärken oder mitunter mal kurzfristige Themen zu übernehmen, wenn sich Prioritäten verschieben – im Büro wie daheim. Ohnehin sei eine zweite Perspektive insofern auch ein Mehrwert für das Team, weil Mitarbeitende nicht von einem Augenpaar abhängig seien, sagt Stefanie. „Das verbessert die Leistungsbewertung und bietet dem Team gleichzeitig mehr Anknüpfungspunkte oder Reibungsfläche.“

mailto: FischerBocks

Die Haniel Gruppe ist seit Juli 2023 um ein weiteres Tandem reicher. Hinter dem einprägsamen Namen „FischerBocks“ samt gemeinsamer E-Mail-Adresse und geteiltem Teams-Channel verbergen sich Amelie Fischer und Larissa Bocks. Beide sind als Head of HR Business Partner I&P International bei kaiserkraft tätig, einer Tochtergesellschaft der TAKKT AG. Nach der Entscheidung für das Co-Leadership-Modell lernte sich das Tandem zunächst privat kennen und durchlief dann einen Workshop der Personalberatung TWISE. Die neue Konstellation zeige bereits positive Auswirkungen: „Weil wir unsere individuellen Talente und Fachkenntnisse gezielt kombinieren können, hat sich nicht nur die Qualität unserer Arbeit verbessert, sondern wir beobachten auch eine höhere Zufriedenheit und ein gestiegenes Engagement unseres Teams.“

Selbstzuschreibung mit Augenzwinkern: Amelie Fischer (li.) und Larissa Bocks (re.) sehen sich als „Partners in Crime“.

Es braucht Mut, nicht überall dabei sein zu müssen

Im Tandem zu arbeiten, bedeutet auch, sich in einem hohen Maße abzustimmen, bisweilen Macht abzugeben oder Entschlüsse mitzutragen, die der oder die Co-Lead getroffen hat. „Das braucht eine stringente Priorisierung und natürlich auch den Mut, nicht überall dabei sein zu müssen“, erzählt Ann-Kristin. Für manche könne das zu einer großen Herausforderung werden, weiß Stefanie aus ihrer Coaching-Tätigkeit: „Wenn jemand nicht gerne teilt – ob Wissen oder Bühne –, nicht Spaß daran hat, andere zu involvieren und nah an sich ranzulassen, dann ist Co-Leadership nicht unbedingt etwas für diese Person.“ Für Meike, Ann-Kristin und Stefanie überwiegen bislang jedoch eindeutig die Vorteile. Übrigens: Viele, die einmal die Arbeit im Tandem erlebt hätten, würden letztlich nie wieder alleine arbeiten wollen.

Autor

Marius Hoff

LinkedIn-Admin, Podcast-Fan und born & raised im Ruhrgebiet. Berichtet als Mitglied des Team Communications auf unserer Website und in den Sozialen Medien über Haniels Enkelfähig-Reise. Nächstes Ziel: Alle Portfoliounternehmen mit dem Rennrad besuchen.
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